Schwarze Adler“ ist ein Dokumentarfilm von Torsten Körner, in dem es um afrodeutsche und afrikanische Fußballspieler und Fußballspielerinnen geht, die in der deutschen Nationalmannschaft und im Profifußball spielen bzw. gespielt haben. Zum einen berichten die Spielerinnen und Spieler von der großen Ehre, in der Nationalmannschaft spielen zu dürfen und als Fußballprofis ihren größten Traum zu leben. Auf der anderen Seite ist da der kontinuierliche Rassismus. Im Alltag, in der Werbung und vor allem in den Fußballstadien. Beleidigende Gesänge und Rufe gehören zum Alltag der schwarzen Spieler. Bananen und Orangen werden in ihre Richtung geworfen. Und so richtig sprechen können sie über ihre traumatischen Erlebnisse kaum, denn die weiße Mehrheitsgesellschaft kann damit nichts anfangen bzw. redet die traumatischen Erlebnisse sogar oft klein.

Zu Wort kommen, im Film, Erwin Kostedde (*1946), Guy Acolatse (*1942), Jimmy Hartwig (*1954), Rigobert Gruber (*1961), Anthony Baffoe (*1965), Gerald Asamoah (*1978), Otto Addo (*1975), Patrick Owomoyela (*1979), Jordan Torunarigha (*1997), Cacau (*1981), Jean-Manuel Mbom (*2000) und bei den Spielerinnen Shary Reeves (*1969), Steffi Jones (*1972) und Beverly Ranger (*1953).

Weiß und rein

Der Film beginnt damit, das verschiedene Spieler und Spielerinnen beschreiben, was es für sie bedeutet, das Trikot der Nationalmannschaft und damit den schwarzen Adler auf der Brust zu tragen. Dann begeben wir uns auf eine Zeitreise ins Deutschland der NS Zeit – Fußball unter dem Hakenkreuz.

Anschließend befinden wir uns in der Nachkriegszeit. Der, meiner Meinung nach, schlimmste Teil dieser Doku, sind Ausschnitte aus der Reportage „Toxi lebt anders“ von 1959. Sie behandelt das Leben der afrodeutschen Kinder, den sogenannten „Brown Babies„, die eine Deutsche Mutter und einen afroamerikanischen Vater haben. Die meisten der Väter sind GIs, die nach ihrer Stationierung in Deutschland, in ein anderes Kriegsgebiet geschickt wurden oder allein in die USA zurückgekehrt sind. Da fragt der Journalist allen ernstes, warum die Mütter ihre Kinder nicht zur Adoption ins Kinderheim abschieben und was aus diesen Kindern denn mal werden soll, wenn sie groß sind – „Ihr Kind kann doch nicht zum Zirkus gehen, oder glauben Sie, dass es eine Lösung ist, wenn Sie ihr Kind später mal zum Zirkus geben?“ Fragen, die man, mit Sicherheit, auch Müttern von behinderten Kindern damals gestellt hat…


Diese Erfahrungen haben auch Erwin Kostedde und Jimmy Hartwig gemacht, beide haben deutsche Mütter und afroamerikanische Väter. Während Kostedde seinen Vater nie kennengelernt hat, wurde die Beziehung zwischen Hartwigs Eltern von dessen deutschem Großvater unterbunden. Als glühender Hitlerfan verachtete er seinen Enkel und lies ihn das auch physisch und psychisch spüren.

Der erste schwarze, deutsche Nationalspieler ist 1974 Erwin Kostedde, Jimmy Hartwig tritt 1979 in seine Fußstapfen. Weitere namenhafte Fußballer folgen. Der Film spannt den Bogen von den 70ern bis in die heutige Zeit, zu Spielern wie dem 2000 geborenen Jean-Manuel Mbom.

Letztendlich ist der Rassismus im Fußball allerdings nur ein Symptom, aber nicht die Ursache. Auch ohne und außerhalb des Fußballs gibt es Rassismus. Ein Fußballstadium ist nur ein Ort, wo Rassismus und andere Formen von Diskriminierung ungeniert ausgelebt werden dürfen. Damals wie heute. Besonders auffällig ist, das Hass, Rassismus und gewaltbereitschaft der Fußballfans mit den Jahren immer mehr zugenommen haben. Nach der deutschen Wiedervereinigung erreichte der Rassismus in Fußballstadien einen neuen und traurigen Höhepunkt und ist ein bis heute andauerndes Problem geworden.

„Fußball ist unser Leben“

Ich persönlich war nie ein Fußballfan und werde es, in diesem Leben, auch nicht mehr werden. Ich hab auch als Kind schon kein Fußball gespielt und hasste es, das es im Sportunterricht immer eine Pflichtsportart war. Auch für’s passive Fußballschauen konnte ich mich nicht begeistern. Außer mit der Animeserie „Kickers“ gab es in meinem Leben keine großen Berührung mit Fußball. Fußball war für mich schon immer ein Proletensport, Berichte und Gespräche darüber empfand ich als nervig. Auch diese aggressive Fankultur war mir, schon immer, zuwider. Rassismus, Sexismus und Homophobie sind, leider, tief verwurzelt im Fußball und ich bin mir mittlerweile sicher, dass dies die Hauptgründe für meine stetige Ablehnung gegenüber dieser Sportart waren. Obwohl die Sportart an sich natürlich nichts dafür kann. Dennoch begünstigte sie durch das „Wir“ (meine Mannschaft) gegen „die“ (andere Mannschaft) Rassismus und Ausgrenzung, wie „Schwarze Adler“ mehr als eindrücklich zeigt. Und leider auch zu jeder EM und WM wieder erneut klar wird. Vielleicht weil zu EM und WM Zeiten die Menschen viel leichter ihren Patriotismus und Rassismus ausleben können.

Auch ich war, das erste und einzige Mal in meinem Leben, 2006, zum „Sommermärchen“, in einem Stadion in meiner Heimatstadt, um mir ein Spiel der lokalen Mannschaft gegen die mexikanische Nationalmannschaft, die zur WM bei uns unterkam, anzuschauen. Meine Freundin hatte zwei Freikarten für das Spiel, sonst hätte ich mir dieses Spiel nicht angesehen. Und selbst dort waren die Fußball Hooligans anzutreffen, die rassistische Beleidigungen gegen die Mexikaner riefen und sich allgemein sehr aggressiv und gewaltbereit verhielten. 2006 war einfach kein Entkommen was Fußball anging. Selbst in der Schule wurden die Spiele auf der Leinwand übertragen. Aber ein Fan hat das aus mir trotzdem nicht gemacht.

Empfehlen möchte ich euch auch, an dieser Stelle, noch Robert Hofmanns Rezension des Films, der ebenfalls noch mal ein paar sehr interessante Einblicke, als ehemaliger Fußballfan und Hobbyspieler, gibt.

Besonders schön fand ich, wie selbstbewusst und mit wie viel Humor Jimmy Hartwig und Anthony Baffoe sich gegen die ganzen Rassisten und Anfeindungen zur Wehr gesetzt haben. Denn das ist weder leicht noch selbstverständlich. Ähnlich wie Mobbing in der Schule, macht es die „Opfer“ entweder stärker oder kaputt. Jeder der Spielerinnen und Spieler musste seinen ganz eigenen Weg finden, mit den Anfeindungen und Diskriminierungen auf und abseits des Spielfeldes umzugehen. Während Männer wie Hartwig und Baffoe selbstbewusster und gestärkter aus der Sache hervor gingen und sich trotz aller Widrigkeiten nicht die Butter vom Brot nehmen ließen, sind Menschen wie Erwin Kostedde sichtlich daran zerbrochen. Seine Fußballkarriere, davon 3 Spiele für die Nationalmannschaft, war von Selbstzweifeln, Unsicherheit und Minderwertigkeitsgefühlen geprägt. Und die ständige Frage nach der eigenen Identität und Zugehörigkeit. Die rassistischen Beleidigungen nahm er sich sehr zu Herzen. Zudem verbrachte er, was im Film nicht behandelt wird, mehrere Monate unschuldig in Untersuchungshaft, was einen zutiefst traurigen und gebrochenen Mann zurück lies. Auch Shary Reeves erzählt, unter Tränen, sie sei müde geworden sich immer wieder zu erklären, und manchmal sei es schwer Deutschland zu lieben.

Mit Shary Reeves, Steffi Jones und Beverly Ranger kommen auch drei Spielerinnen zu Wort. Aber man merkt und weiß auch, Fußball ist immer noch ein „Männersport“. Daher ist, neben Rassismus, ein immer wiederkehrendes Problem, im Fußball, Sexismus. Ob nun gegen Frauenfußball an sich, die Spielerinnen oder Kommentatorinnen vom „Männerfußball“. Es gibt einen erschreckenden Rückblick auf die sexistische Skepsis, mit der man(n) damals dem Frauenfußball begegnet ist. Und ebenso wie man sich fremdschämt über die intoleranten und rassistischen Fragen u.a. an Anthony Baffoe, schämt man sich auch bei den Interwies, die damals mit den ersten Fußballspielerinnen geführt wurden.

Der Profifußball hat viele Baustellen und neben Rassismus muss sich den Themen Sexismus gegen Fußballspielerinnen und Kommentatorinnen sowie Homophobie gegenüber schwulen Spielern separat gewidmet werden.

Letztendlich ist „Schwarze Adler“ ein sehenswerter Film über Dazugehörigkeit, Ausgrenzung, Identifikation, Stolz, deutsch-afroamerikanischer Beziehungen aber auch Spaß am Spiel geworden. Nicht nur für Fußballfans sehenswert.

∇ Tipp: Der Film ist noch bis zum 17.07. in der ZDF Mediathek erhältlich.

Titel

Schwarze Adler

Erschienen

2021

Laufzeit

100 Minuten

Darsteller

Erwin Kostedde, Jimmy Hartwig, Gerald Asamoah, Anthony Baffoe, Shary Reeves

Regisseur

Torsten Körner

Genre

Doku

FSK

ab 6 Jahren

Eine Antwort

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.